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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eine Kleinunternehmerin



Joseph
19.03.2008, 22:47
Vor drei Tagen hielt ich mich mittags in der Nähe des Wat Nenglaiyi oder Wat Mangkorns auf, im Chinesenviertel Yaowarat, Bangkok. Ich war von der Hitze ziemlich geschlaucht und dazu hungrig. Als ich einen Essensstand mit einer Theke von etwa 3 m Länge sah, überdacht mit einer Plastikplane, schaute ich, ob ich dort etwas essen konnte. Die Speisen schienen sauber, fließendes Wasser zum Spülen der Teller war vorhanden, sitzen unter einem Schatten spendenden Schirm war auch möglich. Als ich mich niedergelassen und etwas bestellt hatte, kam ein junger Mann von 15 Jahren, und seine Mutter, die "Restaurant"-Besitzerin, fragte, ob er etwas Englisch mit mir sprechen könnte. Er wolle seine Englischkenntnisse verbessern. Sein Lehrer hatte ihm gesagt, er solle möglichst oft mit Leuten Englisch sprechen. Natürlich sagte ich ja, er stellte mir in holperigen Englisch eine Reihe von Fragen, die ich beantwortete. Als ich zu Ende gegessen hatte, saßen wir noch eine ganze Weile zusammen und trainierten sein Englisch. Als er sich schließlich bedankte, fragte ich seine Mutter, ob ich auf Thai auch einige Fragen stellen dürfte. Ich interviewte sie, was die Kosten des kleinen „Restaurants“ betraf, mich interessierten die einzelnen Posten und fragte sie, ob sie mir genauere Auskunft geben könne. Sie sagte, nichts leichter als das, und holte ein sehr dickes Heft, in dem alle Kosten aufgelistet waren. Sie erläuterte mir die einzelnen Posten :

An Rente für den Platz vor dem Haus mussten 1800 Baht bezahlt werden.
Eine Helferin, die z.B. Teller spülte, Sachen einkaufen ging usw., bekam pro Tag 180 Baht (plus etwas Essen), also monatlich bei 26 Tagen Arbeit (manchmal waren es 27 Tage) 4680 Baht.

Die Kosten für Gas, Wasser, Elektrizität waren wie folgt:
Gas, alle drei Tage 1 Tank von 185 Baht, also 1850 Baht/Monat
Für Wasser bezahlte sie 130 Baht, für Elektrizität 380 Baht im Monat (das schwankte etwas, die Zahlen waren vom letzten Monat)
Für die Entsorgung des Abfalls (der wird jeden Abend angeholt) zahlte sie 60 Baht im Monat.

Große Kosten entstanden für den Einkauf der Speisen:
Öl zum Braten 400 Baht im Monat
Reis 6 kg am Tag, zu je 15 Baht (ist eine billige Sorte), 90 Baht, im Monat 2700 Baht.
Nudeln 3 kg. zu je 10 Baht täglich, also monatlich 900 Baht
Papayafrüchte (noch unreife, grüne) 100 Baht pro Woche, also 400 im Monat
Fleisch/Fisch (z.B. als Fleischbällchen, die fertig gekauft wurden) war der größte Posten: 900 Baht pro Tag, also 27.000 Baht pro Monat
Frisches Gemüse (einschließl. Sojabohnen), von der Helferin frühmorgens auf dem Markt gekauft, 6900 Baht pro Monat
Hühnereier (ziemlich kleine) und für die Suppe kleine Wachteleier (wurden täglich gebracht) 2200 Baht
Zutaten (Chilli, Fischsoße, Palmzucker) etwa 1250 Baht
Trinkwasser, täglich ein großes, krugartiges Gefäß von jeweils 18 Baht, also 540 Baht (könnte Brunnenwasser sein)
Eiswürfel 60 Baht täglich (2mal geliefert), 1800 Baht
Cola,Fanta,Sprite 70 Flaschen à 8 Baht täglich, 560 Baht täglich,16.800 Baht monatlich.

Ergibt eine monatliche Investition von 69790 Baht, also rund 70.000 Baht.

Die monatlichen Einnahmen lagen im Durchschnitt der letzten 7 Monate bei 88.000 Baht, also bleibt ein Monatsgewinn bei 18.000 Baht. Das ist ein Stundengewinn von etwa 1 Euro…Da ihr Mann auch noch arbeitet (als Tuktukfahrer), kommen sie gut über die Runden...

Ich finde es nicht uninteressant, wie hier kalkuliert, investiert und Gewinn gemacht wird...darum habe ich es hier mal gepostet...

Joseph

19.03.2008, 22:58
Interessanter Einblick, wie so eine "One-Woman-Company" funktionieren kann. Danke.

wingman
20.03.2008, 00:00
Hallo,
ich fand diesen Beitrag sehr interessant. Gibt einem einmal Einblicke wie dort eine Frau ihr Geld verdient.

guenny
20.03.2008, 07:59
Schöner Einblick,
danke für die Infos. Die Darstellungen in dem Filmbericht Bangkoks krabbelnde Delikatessen gingen ja auch darauf ein, dass nach Ausage der Frau mit Insekten z.B. mehr zu verdienen wäre wie mit Fleischbällchen. Insgesamt wohl durchaus ein harter Job, wenn auch das Einkommen dann höher ist als das der Tagelöhner und Fabrikarbeiter.

Samuianer
20.03.2008, 09:14
so funktioniert's ueberall bei den Kleinstunternehmern, Umsatz relativ hoch, Nettogewinn relativ gering!

In dem geschilderten Fall, geht es ja noch recht gediegen zu, 18.000 Netto sind nicht schlecht!

Kenne die Geschichte einer zugereisten SomTam Verkaeuferin, in 2 Jahren stand ein nagelneuer Pick Up vor dem mickrigen Stand, aehnlich auch beim Nudelsuppenstand der im Franchiseverfahren betrieben wird!

Ja es gibt sie die fleissigen, hart arbeitenden Thai, die es schaffen sich hoch zu rappeln!

Es muss keine ihreSeele auf dem Markt verkaufen!

Nur 'n bisschen Grips, ein Wille hart zu arbeiten und sich durch zu setzen sind neben Tugenden wie nicht zocken, die Maeuse zusammen zu halten, frueh ins Bett und frueh raus, ganz wichtige Ingredenzien!

guenny
20.03.2008, 15:23
Es muss keine ihreSeele auf dem Markt verkaufen!

Nur 'n bisschen Grips, ein Wille hart zu arbeiten und sich durch zu setzen sind neben Tugenden wie nicht zocken, die Maeuse zusammen zu halten, frueh ins Bett und frueh raus, ganz wichtige Ingredenzien!

100%.
Das ist übrigens ein Erfolgsrezept, das gerüchteweise auch in Farangland funktionieren soll....

20.03.2008, 18:23
Das ist übrigens ein Erfolgsrezept, das gerüchteweise auch in Farangland funktionieren soll....

Echt http://www.comicguide.net/images/smilies/wow2.gif ?

Hua Hin
21.03.2008, 02:19
Interessante Einlage, Joseph
mit Sicherheit ein Bericht, den man nicht in jedem Forum lesen kann.
Für mich persönlich bleiben zwei Fragen offen.
Wieviele Arbeitsstunden sind denn an dem Unternehmen wöchentlich gekoppelt
und gibt es dann noch eine steuerliche Variante, oder läuft der Umsatz unter gewissen
Freibeträgen, bzw. fungiert das Unternehmen mehr oder weniger schwarz?
Ich halte diese Gewinnspanne eigentlich gar nicht für so gross.

Gruss Alex

Hua Hin
21.03.2008, 02:22
...und wie kommt es eigentlich, dass ich plötzlich über 50 Beiträge weniger habe?

Enrico
21.03.2008, 02:29
...und wie kommt es eigentlich, dass ich plötzlich über 50 Beiträge weniger habe?

Bitte globale Ankündigungen lesen. Danke

Samuianer
21.03.2008, 03:52
Interessante Einlage, Joseph
mit Sicherheit ein Bericht, den man nicht in jedem Forum lesen kann.
Für mich persönlich bleiben zwei Fragen offen.
Wieviele Arbeitsstunden sind denn an dem Unternehmen wöchentlich gekoppelt
und gibt es dann noch eine steuerliche Variante, oder läuft der Umsatz unter gewissen
Freibeträgen, bzw. fungiert das Unternehmen mehr oder weniger schwarz?
Ich halte diese Gewinnspanne eigentlich gar nicht für so gross.

Gruss Alex


Stunden werden in der Regel nicht gezaehlt... das was hier geleistet wird, wuerde bei Vielen die im "Anspruchsdenkebereich" gefangen sind, spontanen Brechreiz ausloesen!

Meist einen Tag in der Woche geschlossen, und locker 12-15 Stunden Tage!

Sind ja nicht nur die Oeffnungszeiten zu rechnen, sondern auch Einkaufen, Vorbereiten etc.

Das mit dem Selbststaendigsein gilt auch hier... "Selbst und staendig arbeiten"!

Kannst davon ausgehen dass, das meiste schwarz ist, Steuerfreibetrag sind 5000 ThB! Danach (eigentlich) progressive Einkommensteuer.

Hier auf Samui brauchen Kleinhaendler/verkaeufer, wie die Motorradtaxifahrer, so eine Weste mit Nummer, die gegen einen Obulus von der Polizei vergeben wird. Was dazu im Einzelnen notwendig ist entzieht sich meiner Kenntniss denke mal handelt sich um "Teamoney"...


Und lass dir versichert sein 18.000 Netto ist fuer thailaendische Verhaeltnisse ein gesundes Einkommen, im Vergleich zu den Arbeiterloehnen!

Und viele Thais schaetzen die Unabhaengigkeit ueber Alles, auch verstaendlich, oder?!

Joseph
21.03.2008, 07:24
@Hua Hin:
Die Frage nach den Steuern habe ich nicht gestellt, war mir in dem Moment nicht in den Sinn gekommen, ich bin froh, dass @Samuianer Deine Frage vom Grundsatz her beantworten konnte.

Was die Arbeitszeit betrifft, muss man für Besitzerin und Helferin mit ca. 12 Std. am Tag rechnen. Die Helferin hat 1x in der Woche frei. Über Sonkran darf sie dazu ein paar wenige Tage nach hause (Chaiyaphum) fahren. Die Besitzerin arbeitet jeden Tag! Der 15-jährige Sohn (der mit mir Englisch sprechen wollte) besucht eine Schule (Stufe Mattayom 3). Er hilft hin und wieder, z.B. beim Tragen von schweren Sachen, wird aber nicht grundsätzlich zur Arbeit in dem Laden herangezogen. Er soll sich auf die Schule konzentrieren... Ihr Mann ist Tuktukfahrer, er transportiert morgens die Sachen vom Markt zur Verkaufsstelle.

Die Besitzerin war mit ihrem monatl. Verdienst sehr zufrieden! Sie betonte, dass ihr die Unabhängigkeit sehr wichtig sei. Selber Entscheidungen treffen, nicht von Anderen abhängig sein, das ist ihr sehr wichtig... Dass sie mir so bereitwillig Einblick gewährt hat (ich war darüber erstaunt), hängt auch wohl damit zusammen, dass sie sehr stolz auf das von ihr Geleistete war. Außerdem war sie wohl dankbar, dass ich mit ihrem Sohn relativ lange (über das Essen hinaus) Englisch gesprochen habe.

Joseph

erklaerbaer
21.03.2008, 08:01
Dass sie mir so bereitwillig Einblick gewährt hat (ich war darüber erstaunt), hängt auch wohl damit zusammen, dass sie sehr stolz auf das von ihr Geleistete war. Außerdem war sie wohl dankbar, dass ich mit ihrem Sohn relativ lange (über das Essen hinaus) Englisch gesprochen habe.

Und wahrscheinlich damit, dass Du als Farang wohl offensichtlich nicht für das thailändische Finanzamt tätig bist. :cool: Schätze mal, dort wird wie in der Branche fast überall, der eine oder andere Baht nicht durch die Bücher gehen.

Was mich noch interessiert: Hast Du Dir die ganzen Posten erst mal gemerkt oder direkt beim Gespräch Notizen gemacht?

Und: Klasse Beitrag! :spitze:

Joseph
21.03.2008, 09:20
@erklaerbaer: erst haben wir nur so gesprochen, ich habe Fragen gestellt, sie hat geantwortet, dabei habe ich mir schon Notizen gemacht. Dann hat sie mir das Buch gezeigt und ich habe -mit ihrer Erlaubnis und in ihrem Beisein- darin geblättert, weitere Fragen gestellt (ich konnte öfter ihre Handschrift nicht lesen) und einiges aus dem Buch abgeschrieben. War für sie kein Problem. Ich habe erklärt, ich würde mich sehr dafür interessieren, wie die Thais das Leben meistern (das war nicht gelogen).

Ich reise stets mit einem kleinen Schreibblock in der Tasche und sobald ich etwas Interessantes sehe oder erfahre, schreibe ich es auf. Es ist unmöglich, so viele Zahlen auswendig zu behalten... Abends im Hotel ordne ich dann alles und hefte es in eine Mappe ein... Ich weiß, komische Art zu reisen, aber mir ist das lieber als am Strand zu liegen... bin nun mal so (ein komischer Typ, ich weiß...)...

Joseph

guenny
21.03.2008, 10:21
Ich weiß, komische Art zu reisen, aber mir ist das lieber als am Strand zu liegen... bin nun mal so (ein komischer Typ, ich weiß...)...
Aber sehr sympathisch....
wenn ich das mal sagen darf

Samuianer
21.03.2008, 11:17
Ich weiß, komische Art zu reisen, aber mir ist das lieber als am Strand zu liegen... bin nun mal so (ein komischer Typ, ich weiß...)...
Aber sehr sympathisch....
wenn ich das mal sagen darf

Jau isser... und bleib einfach so! :spitze:

Joseph
21.03.2008, 11:32
In einer mir vorliegenden, schon vor ca. 15 jahren geschriebenen Dissertation über "Public Eating in Bangkok" schreibt die Autorin etwas über die "daily activities in small food shops". Darin steht z.B. über die Betreiber Daeng/Ying eines Nudelshops:
5 Uhr Aufstehen
ab 6 Uhr Vorbereitung der Speisen (hält den ganzen Tag an)
8 Uhr Öffnung des Nudelshops
21 Uhr Schließung des Shops
bis 22 Uhr Säubern etc.
23 Uhr zu Bett gehen....

Kein leichtes Leben...

Joseph

erklaerbaer
21.03.2008, 12:37
Ich weiß, komische Art zu reisen, aber mir ist das lieber als am Strand zu liegen... bin nun mal so (ein komischer Typ, ich weiß...)
Nennen wir es ungewöhnlich, das trifft's besser. Ich mag es, wenn Leute mit offenen Augen und Ohren durch andere Länder reisen. :spitze:

21.03.2008, 12:53
... bin nun mal so (ein komischer Typ, ich weiß...)

Komisch = anders?

Das geht ok. Bitte weitermachen. Danke.