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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Wert eines Fisches



Greenhorn
05.07.2010, 12:52
Ausgangssituation:
Abgelegene Insel in Sued-Ost-Asien. Die Einheimischen wohnen an den verschiedenen Buchten und roden immer mehr Land fuer ihre Plantage. In der Natur gibt es Nahrung im Ueberfluss (Fisch, Banane, Kokosnuss, ...), "paradisiesische" Zustaende. Es gibt keine Strassen, die Buchten werden mit den Familienbooten angefahren (Einhand-Seiten-Ruder). Die Produkte der Plantagen werden von Aufkaeufern mit Motorbooten abgeholt.
Ein Fisch hat lediglich einen Saettigungswert. Vielleicht ist er gelegentlich mal ein Tauschobjekt mit dem unmittelbaren Nachbarn.
Auf dem Markt in der naechsten Stadt kann man ihn nicht verkaufen, da er verdorben waere, bis er dort ankommt.

Entwicklung Stufe 1
Seit einigen Jahren kommen Touristen auf die Insel. In der Hauptbucht koennen sie einfache Huetten mieten und es gibt Restaurants, die insbesondere Sea-food anbieten. Huhn gibt es auch, Schweine-/Rindfleisch muss in der Regel auf dem Festland gekauft werden.
Der Fisch hat einen Wert bekommen!
Aber er wird noch nicht nach Gewicht und Art gerechnet. Ein Fisch kostet (Beispiel Thailand) 60 Bath mit Beilagen und entsprechend zu bereitet. Dieser "eine" Fisch kann aber auch mal ein Brummer sein, da werden 2-3 Leute ohne Reis satt.
Das Meer hat noch genuegend Reserven und der Familienvater kann ohne grossen Aufwand den Bedarf mit seinem neuen Mortorboot decken.

Entwicklungsstufe 2
Obwohl es mittlerweile "Fischfangtrupps" gibt, koennen diese nicht mehr genug Fisch heranschaffen (in der Saison), es muss auf dem Festland zugekauft werden, der mit Eis gekuehlt zur Insel gebracht wird.
Der Fisch hat einen neuen "Wert" bekommen, er ist teuer geworden. :-D
Spass beiseite, in den Restaurants wird jetzt zwischen grossen (mittleren) und kleinen Fischen und den verschiedenen Arten unterschieden. Die Einheimischen selbst essen keinen Fisch mehr, er ist ihnen zu teuer geworden.
Laesst der Farang Fischreste auf dem Teller (Auch Kopf, Augen, ...) gibt es meist hinter dem Restaurant ein Gerangel, wer diese bekommt.

Endstufe
Die Fischfangtrupps haben festgestellt, sie bekommen auf dem Markt mehr fuer ihre Ware, wenn sie ihn auf Eis gekuehlt dort hin bringen.
Das Meer in der naeheren Umgebung ist so ueberfischt, auch in der Nebensaison reicht er nicht mehr aus.
Der Wert steigt ins "unermessliche".

:prost:

schiene
05.07.2010, 14:06
Die Endstufe
Die Gegend ist schnell überfischt,daher werden die Fische immer teurer.
Da nichts mehr gefangen wird ,können die Raten fürs Booot und die anderen modernen Neuanschaffungen nicht mehr bezahlt werden und die Kinder werden zum "anschaffen"geschickt.

Mr Mo
05.07.2010, 15:14
......Beim anschaffen lernen sie einen netten Falang kennen der sie nach BKK zum Goetheinstitut schickt und nach
bestandener A1-Prüfung heiratet. Sie fliegt mit ihm in sein gelobtes Heimatland und von dort aus wird nun jeden Monat das Geld überwiesen. Die Familie kann es sich unter der Sala bequem machen und braucht sich in Zukunft
keinen Kopf mehr machen von wegen Fische fangen, Bananen anbauen und so. Die lange Weile vertreibt man sich mit Laokhao oder ein paar Chang/Singha/Whatever. Es herrscht wieder Ruhe im Paradies.
(Wer's nicht gemerkt hat, ich habs ein bissl ironisch gemeint)

Enrico
05.07.2010, 21:19
Eine sehr gute Zusammenfassung der Entwicklungen, Greenhorn :spitze: und die Weiterführungen

pit
06.07.2010, 03:57
So oder ähnlich könnte es in der Tat geschehen sein! :spitze:

Gruß Pit
:prost:

Greenhorn
07.07.2010, 05:05
Fortsetzung:
Da es sich bei beiden Familien um Thaichinesen handelte, die ihre Toechter nur standesgemaess verheiraten, wa nix mit Farang-Hochzeit. :-D
Spass beiseite, in beiden Faellen warfen die ueber rund 30 Jahre gerodeten Plantagen mittlerweile soviel ab, und die Bungalow-Anlage (ca. 20 Huetten) war nur Zubrot. Trotzdem blieben dabei 1-1,5 Mio TB haengen (trotz Grossfamilie, die Zugang zu allen Kuehlschraenken und -Truhen hatte).
Trotz der vielen Kohle, die in Landkauf, Hausbau jeweils "weit abseits" und in die Schulausbildung (auch im Ausland) der Kinder gesteckt wurden, lebten sie selbst in einem kaum verbessertem Status auf der Insel weiter und wurden in der Regel von Fremden als aermere Menschen eingestuft.
Lustig war halt die "Weigerung" fuer etwas (Fisch), das man frueher im Ueberfluss (kostenlos) hatte, jetzt ploetzlich selbst viel Geld zu zahlen.

Ueblicherweise kommen in diesem Stadium die unserioesen Kreditvermittler, die erklaeren, es kommt jetzt eine riesen Welle von reichen Touristen, die sich zweimal am Tag einen solch teuren Fisch und mehrere Flaschen Bier leisten koennen. Nur wohnen die nur in Bungalows mit Dusche, Ventilator, .....
Und wie es der Zufall wollte, hatten sie den genau richtig "zugeschnittenen" Kredit in der Tasche.
Als dann nach der ersten Saison der vorgerechnete Ueberschuss ausblieb und man aus den sonstigen Bereichen zuschiessen musste, kamen wieder Kreditvermittler, die klar machten, aircon-Bungalows muessen her. Fuer die Abloesung des alten Kredites, wurde die neue Kreditsumme entsprechend erhoeht, wobei fuer dieses Entgegenkommen, dann auch der Zinssatz "etwas" angehoben" wurde.
Spaetestens nach der dritten Generation Bungalows, war die Anlage so hoffnungslos ueberschuldet und die Geldeintreiber leiteten den Besitzerwechsel ein.
Ende war es mit Familienbetrieben. :heul:

Greenhorn
07.09.2010, 11:05
Setz' mal noch einen oben drauf. Ist jetzt zwar kein Fisch, aber wenn der Part durch ist, erkennt man etwas besser den "Wert" eines Fisches:

Die Bewohner der Insel suchten nach einer "Nahrungsquelle" um die "Luecke" schliessen zu koennen.
Da tauchte ein Seitenruderboot* der Seezigeuner auf.
Weisshaarig, total braun gebrannt stand der kleinwuechsige Mann in seinem Boot. Ich hatte mein Lebenlang noch nie solche O-Beine gesehen, jeder Cowboy waere blass geworden. Er hatte ein Tuch in Huefthoehe um den Koerper gewickelt. Mehr konnte ich durch die schon sehr schraeg stehende Sonne nicht erkennen. Insgesamt ein tolles Bild, was ich nie vergessen werde.
Als er naeher kam, wurde ich stutzig, ... echt, ..... ne, oder .... klar doch es war eine Frau. Die braungebrannten Brueste waren genauso falltig wie der restliche Koerper und hingen wie leere nutzlose Tueten am Koerper.
Durch die Krassen O-Beine war sie beim Laufen am Strand "etwas" eingeschraenkt.
Sie blieb auf Distanz stehen, bekam aber dann Wasser und durfte in den Schatten kommen.
Spaeter holte sie aus ihrem Boot eine abgeschnittene Wasserflasche, mit Schnecken und Muschelfleisch. Den Inhalt lies sie zurueck, die Flasche und eine Plastiktuete mit braeunlicher Fluessigkeit nahm sie mit. Im Boot gab es nur ein stark verrostetes Messer ohne Griffschalen und einen kurzen Strick.
Am naechsten Tag kam der ganze Clan, 7 dieser kleinen Boote, ....
Die Nahrungsluecke war geschlossen.

Fortsetzung folgt


*3-5 Meter lang; hinten ist ein etwa 1,5 m langes Paddel am Bootsrand senkrecht "stehend" festgebunden; das Blatt ist im Wasser; am oberen Rand ist ein kleines Rundholz, welches der Fahrer (ebenfalls stehend) in der Hand haelt und jetzt einfach nur das Ruder seitlich am Boot vor und zurueck bewegt. Ist wie bei einer Gondoliere, da hier aber das Paddel kuezer ist, sehen die Bewegungen etwas "hektischer" aus. Gesteuert wird es durch leichte "Verstellungen/Drehungen" des kleinen Rundholzes und natuerlich Verlagerungen des Koerpergewichtes. Habe ewig gebraucht das zu lernen, erst als ich die Augen zu gemacht habe, verstand ich die "Technik".

Greenhorn
08.09.2010, 15:19
Fortsetzung:

War dann schon Maerz und ich musste wieder zurueck.

Die Geschichte haette etwa vor 25 Jahren auf Samui spielen koennen, ist aber gerademal 12-13 Jahre her und war wo ganz anders in TH.

Wie jedes Jahr kam ich Ende November wieder. Vom Weiten sah ich schon da hat sich etwas geaendert. Da standen viele Plastik-Kuehl-Boxen herum, die man durch die leuchtend orange Farbe sehr weit sehen konnte und irgendwie war ein Gewusel von Menschen, waren auch viel mehr Boote da.
Nun das Gewusel waren die Kid's der vielen Seezigeuner Clan's. Bei den Booten hatten viele vom letzten Jahr den Besitzer gewechselt, nur noch die alten Seezigeuner fuhren mit den "Seiten-Ruder-Booten", die Clan-Chefs hatten Motorboote, viele Thai's hatten neue.
Die Boxen waren fuer das Muschel- und Schneckenfleisch und fuer das Eis.
Jeden Tag kamen viele Eisblocks und mehrere Kuehlboxen gingen zurueck.
Die Seezigeuner lebten sich mehr und mehr ein. Anfangs konnten sie keinen Reis essen, sie mussten sich uebergeben. Da sie aber fuer die Jahrhundertelang gewohnte Nahrung "viel " Geld bekamen, verkauften* sie diese vollstaendig und gewoehnten sich an den Reis.
Sie hatten aber auch Geld fuer Alkohol! Und sie soffen, die Maenner und die Frauen! Viele, so schien es, waren in den 8 Monaten zum Alkoholiker geworden(??).
Wir hatten immer Schmuckstuecke aus alten, harten, schwarzen Kokosnussschalen gemacht. Zur Verschoenerung setzten wir oft Shiwa-eyes** ein.
....... es gab keine mehr, man fand gelegendlich nur noch alte, halbverrottete. Die verschiedenen dazugehoerigen Schneckenarten gab's nicht mehr.
Die Plastikboxen verschwanden nach und nach, die Seezigeuner soffen weiter, die Familienverbaende zerfielen, viele junge Frauen und Maedchen fluechteten, meist nicht weit, viele blieben an der naechsten Prostitution-"Ecke" haengen.
Die Alks soffen weiter und fingen an zu betteln.
Die ersten Farangs beschwerten sich, die Seezigeuner verschwanden.
Denke dies wiederholte sich die Kueste hoch und runter, der harte Kern soff weiter, ....
Irgendwann kam der Tsunami, viele von ihnen ertranken*** ungezaehlt.
Nun es gab viele Projekte, so errichtete man auf der Insel eine Kirche, sie lernten zu beten, sonst blieb so ziemlich alles beim Alten, waren jetzt halt nur christliche Alks.

Nun, irgendwann dazwischen wurde mir klar, was ein Fisch tatsaechlich wert ist! :heul:

*so was aehnliches hatten wir schon mal.
**einfach mal googlen
*** kaum einer konnte schwimmen! Lediglich tauchen!

schiene
13.09.2010, 11:58
Das die sogenannten"Naturvölker"bei dem Versuch sie zu "zivielisieren"meist dem Alkohlismus verfallen ist weltweit zu beobachten.Nur wenige dieser Menschen schaffen den Ausstieg aus den ihn bekannten sozialen Strukturen und finden sich im "neuen Leben" zurecht.