Kraftwerk liessen ihr Konzert am Montreux Jazz Festival durch 3-D-Projektionen ergänzen. Die Elektro-Pioniere aus Düsseldorf zementierten dabei ihre zentrale Stellung in der Pop-Geschichte.
Lorenz König
Kraftwerk am Montreux Jazz Festival: Es fand sich kaum noch Platz im Auditorium Stravinski, als die vier Musiker aus Düsseldorf am Mittwoch ihr Konzert mit dem Intro von «Die Roboter» lancierten. Und die Fans – alle mit weissen 3-D-Brillen ausgestattet – antworteten ihnen gleich mit stürmischem Beifall. Thematisch passend folgte dann «Metropolis», ebenfalls ein Titel von ihrem 1978 veröffentlichten Studioalbum «Die Mensch-Maschine». Fast regungslos standen Ralf Hütter, Fritz Hilpert, Henning Schmitz und Falk Grieffenhagen wie Professoren hinter ihren Pulten und ergänzten mechanische Beat-Strukturen mit warmen «Arpeggios» und spielerischen Effekten. Die Sounds verflüchtigten sich in der Weite der Nacht wie Vögel, die endlich freigelassen werden.
Die Zeitreise wurde fortgesetzt durch einen Besuch im Jahre 1981, in dem das Album «Computerwelt» erschien. Da erklangen «Computer Liebe», «Taschenrechner» sowie das Titelstück. Obwohl der Sänger Ralf Hütter, das letzte verbliebene Gründungsmitglied der Band, zu Beginn von «Computer Liebe» einen unkonzentrierten Eindruck machte und seinen Einsatz verpasste, schien dies die Fans nicht zu irritieren. Auf jedes Lied folgte pünktlich Applaus. Und jedes Mal, wenn die Musiker ihren Synthesizern jene Motive entlockten, die seit Jahrzehnten die Pop-Welt prägen, hievten die Fans die Musiker mit ihrem Beifall scheinbar noch höher hinauf in den Pop-Olymp.
Mit einer neuartigen 3-D-Show wurde die musikalische Darbietung um eine innovative visuelle Komponente erweitert. Kraftwerk tourte damit bereits um den Globus und machte unter anderem halt in der Tate Modern in London und im Museum of Modern Art in New York. Hinter den Musikern in futuristischen Anzügen mit neonfarbenen Streifen erschienen auf einer Leinwand passend zu den jeweiligen Liedern verschiedenste Animationen. Schienen die gezeigten Objekte in einem Moment im Takt der Musik über die Leinwand zu flimmern, bewegten sie sich im anderen unabhängig davon.
Mit ihrem unerschöpflich erscheinenden Opus an Pop-Klassikern fuhren die Visionäre fort und spannten thematisch und musikalisch auf gekonnte Weise einen Bogen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Flog man gerade noch mit einem Satelliten durch das All («Spacelab»), befand man sich im nächsten Augenblick auf dem Catwalk der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts («Das Model»). Kraftwerk nahm einen mit auf eine Reise durch die Pop-Musik. Mit der Band ging es durch neonfarbene Strassen («Neonlicht»), über die «Autobahn» und schliesslich auch noch an die «Tour de France». Dank klugen, Spannung erzeugenden Arrangements, intelligent placierten Breaks und genial modulierten Sounds wirkten die Lieder in keiner Weise angestaubt.
Die Reise endete dann mit «Boing Boom Tschack» und «Techno Pop». Inhaltlich wurde das Thema «Musik» aufgegriffen («Electroklänge überall», «Music non stop, techno pop»), und auf der Leinwand erschienen die Bandmitglieder in Gestalt von Robotern. Dass sie so einmal mehr auf ihren unvergleichlichen Einfluss auf die Pop-Geschichte verwiesen, war unverkennbar.
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