Massnahmezentrums Uitikon
Kein neues Sondersetting für «Carlos»
Der als «Carlos» bekannt gewordene ehemalige Straftäter, der seine Freiheitsstrafe längst abgesessen hat, wird nach drei Monaten im Gefängnis in eine weitere geschlossene Abteilung versetzt. Verworfen wurde ein neues Sondersetting.Marcel Gyr
Mitte Juni 2011 stach der inzwischen unter dem Namen «Carlos» bekannte Jugendliche in Zürich Schwamendingen mit dem Messer auf einen jungen Erwachsenen ein. Anderthalb Jahre später verurteilte ihn das Jugendgericht Zürich deswegen wegen schwerer Körperverletzung zu neun Monaten Freiheitsentzug. Bis «Carlos» im Juli 2012 ins Sondersetting der spezialisierten Einrichtung Riesen-Oggenfuss kam, hatte er bereits mehr als die neun Monate hinter Gittern verbracht, zu denen er ursprünglich verurteilt worden war.
Langwierige Verhandlungen
Trotzdem wurde «Carlos» vor knapp drei Monaten erneut festgenommen. Eine Fernsehsendung über den zuständigen Jugendanwalt, in der das Sondersetting im Zentrum stand, hatte die Öffentlichkeit wegen der hohen Kosten und der diversen Privilegien aufgewühlt. Wenige Tage später wies die Jugendanwaltschaft den inzwischen 18-Jährigen ins Gefängnis Limmattal ein. Begründet wurde die Zwangsmassnahme mit der «angeheizten medialen Situation», die es gebiete, «Carlos» zu seinem eigenen Schutz vorübergehend geschlossen unterzubringen.
Das Obergericht stützte die Einweisung ins Gefängnis als «provisorische, zeitlich beschränkte Notlösung», die auf drei Monate begrenzt sein müsse. Diese Zeit müsse intensiv genutzt werden, «um neue Möglichkeiten einer individuellen Behandlung zu erarbeiten», hielt das Obergericht in seinem Entscheid fest. Darin wird explizit auf die Einrichtung Riesen-Oggenfuss hingewiesen, die, «gewohnt kreativ, zu allem Möglichen Hand biete», heisst es im schriftlichen Gerichtsentscheid.
Den Verhandlungen zwischen dem neu eingesetzten Jugendanwalt sowie Rolf Riesen und Anna-Lisa Oggenfuss standen von Anfang an zwei Hindernisse im Weg. Zum einen die hohen Kosten des Sondersettings, die nach der medialen Aufregung kaum kommunizierbar schienen; zum anderen der Thai-Box-Trainer Shemsi Beqiri, der sich eine Vorstrafe eingehandelt hat, als er Anfang letzten Jahres auf offener Strasse einen Kontrahenten niederschlug.
Nun sind aber Beqiri und sein Clan die zentralen Figuren in den Integrationsbemühungen für «Carlos». Mehr als ein Jahr lang, bis zur Ausstrahlung der ominösen Fernsehsendung, funktionierte das Sondersetting einwandfrei. «Carlos», der wegen seiner unbändigen Aggressivität schon als 13-Jähriger tagelang ans Bett gefesselt werden musste, machte sowohl in seinem Sozialverhalten wie auch mit seinen schulischen Leistungen deutliche Fortschritte.
Eine mögliche Lösung des gordischen Knotens wäre gewesen, «Carlos» vorübergehend in Holland bei einem früheren Thai-Box-Lehrer Beqiris zu betreuen. Dies hätte den weiteren Vorteil gehabt, dass sich der junge Erwachsene weitgehend abseits der schweizerischen Öffentlichkeit hätte bewegen können. Doch dieser von Riesen-Oggenfuss vorgeschlagene Auslandaufenthalt wurde von der Oberjugendanwaltschaft kategorisch abgelehnt, auch wenn es dafür Präjudizien gäbe.
Nachdem die Verhandlungen vorübergehend abgebrochen worden waren, trat die Oberjugendanwaltschaft letzte Woche erneut an Riesen-Oggenfuss heran mit der Bitte, eine Offerte einzureichen. Als Vorgabe wurde ein Kostendach bei monatlich 20 000 Franken festgesetzt. Das vorherige, heftig kritisierte Sondersetting hatte noch Kosten von 29 200 Franken verursacht.
In der Folge reichte Riesen-Oggenfuss eine entsprechende Offerte ein mit dem Hinweis, diese decke nicht einmal die Selbstkosten. Doch aus Verantwortung gegenüber «Carlos», der unbedingt mit ihnen und Beqiri weiterarbeiten wollte, sei man dazu bereit. Riesen-Oggenfuss war sogar in Kontakt mit einem Sponsor, der sich bereit erklärte, allfällige Defizite zu decken. Der zweite Knackpunkt, das Thai-Box-Training mit Beqiri, wurde im vorgeschlagenen Sondersetting in die Freizeit verlegt.
Fehlende Garantie bemängelt
Am Dienstag hat die Oberjugendanwaltschaft mitgeteilt, «Carlos» werde zu seinem eigenen Schutz sowie zum Schutz Dritter in die geschlossene Abteilung des Massnahmezentrums Uitikon versetzt. In einer Stellungnahme hält «Carlos'» Verteidiger fest, der Entscheid werde hauptsächlich damit begründet, dass Riesen-Oggenfuss der Jugendanwaltschaft nicht absolute Sicherheit habe garantieren können.
Ein solcher Ausschluss von Risiken sei bei der Resozialisierung jugendlicher Straftäter aber niemals möglich, hält der Verteidiger fest. Die transparente Haltung von Riesen-Oggenfuss spreche für deren Professionalität. Zudem kündigte er an, die Versetzung seines Mandanten gerichtlich anzufechten.
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