Die Leiche blieb 3 Tage im unverschlossenen Sarg. Ich dachte, der Körper würde bei der Hitze verfaulen und einen gewissen Geruch entwickeln, doch war das nicht der Fall. Der Grund war, dass der Arzt (nach Absprache mit den Verwandten) eine Flüssigkeit mit konservierender Wirkung, vielleicht Formalin, aber das weiß ich nicht genau, in die Blutbahn gespritzt hatte.

Jeden Abend kamen die Mönche, gingen ein paarmal um den Sarg (immer links herum), sangen bzw. aßen und tranken abwechselnd.

Man nimmt an, dass am 3. Tag die Seele merkt, dass sie nicht im Körper des Verstorbenen verbleiben kann (andere sagen, am 7.Tag). Man nimmt an, dass die Seele sich nun an einem Ort begibt, wo sie so lange bleibt, bis sie wiedergeboren wird. Das kann wenige Augenblicke bis mehrere Jahrzehnte dauern, eventuell sogar viele Generationen.

Vor Lio’s Haus gab es kleines Häuschen, ศาลพระภูมิ (saan phraphuum) genannt. Hier wohnt der das Anwesen beschützende „Hausgeist“. Normalerweise stellt man täglich etwas zum Essen und Trinken in das Häuschen, aber während die Leiche im Hause ist, macht man das nicht. Auch darf man in dieser Zeit keine Räucherstäbchen für den Hausgeist anzünden.

Am 4.Tag sollte der Sarg mit der Leiche zu einem Tempel gebracht werden. Ein Mann, der bekannt dafür ist, dass er sich mit Riten auskennt, wurde angeheuert, die Überführung der Leiche durchzuführen bzw. zu überwachen, denn man wollte unter keinen Umständen etwas falsch machen.

Dieser „Ritenexperte“ band zunächst jedem, der beim Tragen des Sarges helfen sollte, ein weißes Band. สายสิญจน์ (Ssaissinn) genannt, um die Handknöchel, damit der ขวัญ (Kwann) sie nicht verlässt. „Kwann“ ist ein schützender Geist, den jeder Mensch bei sich hat, sein Sitz ist das Kopfhaar. Man kann „Kwann“ auch mit „Mut“ übersetzen. Dann wurden an der Tür eine Reihe von Zweigen (Bambus und andere Pflanzen) aufgestellt, auf die Türschwelle legte man ebenfalls Zweige. Das sollte es, so wurde mir wenigstens gesagt, dem Geist schwer machen, zu wissen, aus welchem Haus man die Leiche trug. Dann ging der „Ritenexperte“ dreimal um den Sarg (natürlich links herum) und ließ des Sarg vor’s Haus tragen. Dort wurde der Sarg abgesetzt, einer der Söhne Lio’s zog mit einem Messer einen geschlossenen Halbkreis um die Türschwelle, um sicherzustellen, dass die Seele nicht ins Haus zurückkehre.

Dann lud man den Sarg auf ein Auto und brachte ihn zum Tempel. Alle Verwandten folgten mit eigenen Autos dem Sarg.
Fortsetzung folgt.